Dirk Jansen qualifizierte sich souverän für die Verbandseinzelmeisterschaft 2017, diese fand vom 19. - 23. Juni in Hachen statt. Hier sein Bericht.
Eine Halbzeitbilanz
Drei von sechs Runden sind bei meiner ersten Verbandseinzelmeisterschaft gespielt. Mit 2,5/3 kann ich durchaus zufrieden sein. Gemeinsam mit Stefan Arndt führe ich zurzeit im gut besetzten Teilnehmerfeld, in dem es durchaus schon bemerkenswerte Ergebnisse gab. Allein in der ersten Runde gab es von acht Partien gleich vier Remisen. Nach der zweiten Runde gab es nur noch drei Spieler, die mehr als 1 Punkt hatten. Kurios!
Ich selbst hatte es in der ersten Runde mit Altmeister Günther Ronczkowski zu tun. Es wurde ein zähes Ringen im Holländer, in dem ich eine Weile brauchte, um Ausgleich zu bekommen. Nach einem ungünstigen Springerzug seinerseits konnte ich plötzlich aktiv spielen, gewann eine Qualität und später nach einigen taktischen Verwicklungen das Spiel – nach der nicht idealen Eröffnung war ich froh, dass das gut gegangen war.
Nachdem es gestern gut 27°C im Spielraum waren, konnte man heute Morgen bei etwas frischeren Temperaturen ans Brett. Ich spielte gegen Thomas Windfuhr. Noch im Januar konnte ich ihn im Staunton-Gambit recht zügig schlagen und so eine Vorentscheidung im Rennen um den Bezirkstitel herbeiführen. Dieses Mal hatte ich aber Weiß, was meines Wissens noch nie da war.
Ich hatte das Französische Flügelgambit vorbereitet, war aber auch auf das Ablehnen vorbereitet. Tatsächlich lehnte er es dann mit b6 ab. Nach einer Ungenauigkeit meinerseits revanchierte er sich kurz darauf und ich konnte seine Rochade verhindern und den König auf f8 zwingen. Im weiteren Verlauf spielte Thomas dann zu meinem Glück etwas ungenau und stellte schließlich die Partie durch das Schlagen eines Schach sagenden Springers komplett ein, so dass der zweite Punkt im Kasten war.
Stefan Arndt hatte parallel Jürgen Messarius geschlagen, so dass Stefan und ich die einzigen mit zwei Punkten waren und nur Michael Meinhardt war es gelungen nach seinem gestrigen Remis die zweite Runde gegen Christian Midderhoff zu gewinnen.
Nach guter Vorbereitung überraschte mich Stefan im Dreispringerspiel doch mit einem seltenen Manöver. Ich gewann, wie üblich in dieser Variante, einen Bauern, doch er hatte gutes Gegenspiel. Nach einigen umsichtigen Konsolidierungszügen bot Stefan mir Remis, was ich gerne annahm, da die Stellung nur über viele Stunden hinweg zu gewinnen gewesen wäre.
Mittwoch geht es nun gegen den topgesetzten Joshua Eckardt, der aber schon zwei Remisen abgegeben hat gegen vermeintlich deutlich Schwächere.
Das Märchen von der Chance auf den Verbandstitel
Es sollte ein Märchen bleiben! Nach 2,5 Punkten aus 3 Partien schrieb ich einen Bericht nach der Hälfte des Turniers. Dass ich nach 6 Runden immer noch bei 2,5 Punkten stehen würde, hätten selbst die kühnsten Pessimisten nicht vermutet. Es waren vermutlich drei meiner schlechtesten Schachtage in Folge.
In der vierten Runde war ich gegen Joshua Eckardt gelost worden, der mit 2/3 schlechter gestartet war als ich, aber nominell der stärkste Spieler des Feldes war. Ich bereitete mich intensiv vor auf Holländisch mit 2. Lg5. Doch was nützt die ganze Vorbereitung, wenn man bereits im 5. Zug zwei Züge der eigenen Vorbereitung vertauscht, ohne sich Gedanken darüber zu machen, was dies zu bedeuten hat. Statt e3 ging nun e4 und es sollte eine völlig andere Partie werden. Psychologisch leicht angenockt, versuchte ich mein Bestes, geriet aber zusehends in eine sehr defensive Stellung. Meinen Springer, den ich im 5. Zug eigentlich nach f6 ziehen sollte, zog ich die ganze Partie nicht mehr. Ohne Rochade und mit sehr wenig Entwicklung fühlte ich mich dem Untergang geweiht.
Um zu zeigen, wie ich mich gefühlt habe, hier die Stellung nach 16. Dd3. Nach 16. … c6 17. Le6 b6 18. 0-0 gab ich auf. Die Dame schien gefangen (war sie gar nicht), ich hatte keine sinnvollen Züge mehr. Die Stellung war auch (nur) +2,5 für Weiß – Aufgabe war durchaus okay. Aber in der gezeigten Stellung gleicht Sf6 völlig aus, wenn Weiß nicht sogar schon schlechter steht. Ich dachte ich gehe auf den weißen Feldern platt, aber 17. Sxf6 Lxf6 18. Dxg6+ Kd8 19. Df5 wird mit Lxc3+ 20. Kf1 Dxa4 beantwortet und plötzlich hat Weiß einen schlechten König (wie ich auch), einen Bauern weniger und es droht Tg8. Fritz schätzt die Position dann mit 0,8 für Schwarz ein. Joshua und ich hatten das beide nicht gesehen und als ich ihm die Analyse zeigte, waren wir beide frustriert… Manchmal sollte man den PC einfach auslassen.
In der 5. Runde ging es daran, das Turnier mit einem Weiß-Sieg gegen Jens Dickel zu retten. Meine Vorbereitung auf Caro-Kann war nach 1. e4 c5 schon vorbei und es kam die Drachen-Variante aufs Brett. Zwar hatte ich mich mit dem jugoslawischen Angriff beschäftigt, fühlte mich da aber nicht fit genug und spielte Lg5 und Lb5+, wie immer, um schnell in eine Stellung zu gelangen, wo ich keine Idee hatte, wie man weiter spielt. Jens hatte diese Ahnung und entwickelte am Brett einige großartige Pläne, denen ich absolut gar nicht entgegenzusetzen hatte. Dass er den schwarzfeldrigen Läufer auf c3 geben würde, hatte ich kaum in Erwägung gezogen. Den „gibt man ja nicht“, dachte ich. De facto war er in der konkreten Stellung und rechnete völlig zu Recht, dass es hier aber sehr wohl gut war. Nach einigen starken Zügen und weiteren guten Ideen gab ich auf mit dem Gefühl, selten ohne Chance so zerlegt worden zu sein.
Mit 2,5/5 meinte ich dann, dass ich das Turnier durch einen Sieg gegen einen schwächer einzuschätzenden Gegner noch einigermaßen erträglich gestalten könnte. Doch hatte Jürgen Messarius auch nicht sein bestes Turnier erwischt und stand mit 3/5 ebenfalls schon abgeschlagen vor der letzten Runde und so musste ich mit Schwarz gegen ihn spielen. Dieses Spiel war für mich geprägt davon, dass ich abends beim Turnier in Lingen aufschlagen wollte zusammen mit meiner Frau und Dawid Pieper und ein sehr langes Spiel Stress bedeuten würde.
Jürgen spielte statt, wie immer e4, gegen mich Sf3, um mir nach der Partie zu sagen, ich sei ihm sympathisch, weil ich zu meinem f5 stehen würde, das ich dann gespielt habe. Er aber zog lieber nicht e4, wie sonst immer… was sollte mir das sagen?
Es kam wie es kommen musste – ich spielte ungenau, verlor einen Bauern, rette mich aber in ein remisliches Endspiel, was hätte aus Jürgens Sicht gar nicht so weit kommen müssen. Natürlich waren wir auch die letzte die gespielt haben. Mit Minusbauer und Läufer gegen Springer war kaum etwas drin. Als ich meinte, die Figuren tauschten zu können, weil ich das Bauernendspiel halten könne, war das korrekt, aber genau genommen war mir das egal, ich wollte einfach fertig werden. Doch mein Gefühl war richtig, die Stellung war remis, wenn man etwas mehr nachgedacht hätte. Ich zog den König sofort falsch und die Stellung war platt.
Insgesamt war es ein von Kai Lück sehr gut geführtes Turnier. Kai war oft übervorbereitet – so hatten die Namensschilder sogar eine Graphik der DWZ-Entwicklung der letzten 10 Turniere. An der Pinnwand hingen die letzten 10 Auflagen aus Hachen, in der letzte Runde gab es ein detaillierte Prognose für alle Spieler, wie sich die DWZ bei welchem Spielergebnis ändern würde. Rundenberichte mit allen Partien nach jeder Runde in Papierform und später digital waren klar. Eine laminierte Urkunde mit Foto aller Teilnehmer rundete alles ab. Besser geht es nicht. Leider wird meine erste Auflage dieses Turnieres die letzte des Verbands in Hachen gewesen sein, da NRW plant, die NRW-Meisterschaften in ein Open zu integrieren, so dass die Qualifikation dafür wegfällt. Ohne diese Qualifikation haben die Meisterschaften in dieser Form zu den für den Verband durchaus hohen Kosten keine Daseinsberechtigung mehr. Wie sich das weiterentwickeln wird, wird sich zeigen.